Dellbrügge&de Moll

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Barbara Straka
Aus der Laudatio zur Preisverleihung Förderungspreis Bildende Kunst, Akademie der Künste Berlin, 2002
deutsch


Dellbrügge & de Moll haben sich (...) durch eine interdisziplinäre und kommunikationsorientierte Arbeitsweise mit zahlreichen Projekten für Kunstinstitutionen und im öffentlichen Raum im In- und Ausland eine exemplarische Position und einen herausragenden Stellenwert im aktuellen Kunstdiskurs mit überregionaler und internationaler Rezeption erarbeitet. Im weitesten Sinne ist das Werk der Künstler aus einer Gegenposition zu dem die 90er Jahre prägenden Paradigma des “Betriebssystem Kunst³ (Thomas Wulffen) abzuleiten, dessen Dekonstruktion sie betreiben. Systematisch und analytisch werden die immanenten Strukturen der Kunstproduktion und -distribution heute untersucht: das veränderte Verhältnis von Kunst und Gesellschaft, die Rolle des Künstlers und Bedingungsfaktoren künstlerischer Arbeit, die Funktion des Kunstmarktes, der Museen und Akademien, der Medien und die Regeln von Kommunikations- und Vermittlungsprozessen im gesellschaftlichen Diskurs mit der Öffentlichkeit. “Ein Leben für die Kunst³, das “Debütstück³ (1) der Künstler von 1991, enthielt bereits im Kern das Konzept, basierend auf dem “Zerlegen eines Systems. Die Vorgehensweise ist vergleichbar mit dem Versuch, eine Maschine in Einzelteile zu demontieren, diese nach subjektiven Kriterien zu sortieren, um so eine eigene Anschauung der Funktionen und Zusammenhänge zu gewinnen.³ (2)

Dellbrügge & de Moll arbeiten kontext- und medienübergreifend an der Schnittstelle von Kunst und Leben, ästhetischem und alltäglichem Denken und Handeln. Sie bedienen sich dabei virtuos sowohl etablierter als auch innovativer künstlerischer Techniken und Medien (Malerei, Zeichnung, Aquarell, Plastiken und Objekte, Medien- und Sound Installationen, Film und Video, Internet) und haben seit Mitte der 80er Jahre ein beeindruckendes Spektrum an interdisziplinären Projekten erarbeitet, die das “Betriebssystem Kunst³ von den Fragen nach der Produktion, Distribution und Rezeption sowie nach seinen Schnittstellen mit dem gesellschaftlichen Umfeld her systematisch, kritisch und ganzheitlich untersuchen.
Ein Verdienst der Künstler ist es, die immanenten Strukturen des selbstreferentiellen “Betriebssystems Kunst³ freigelegt und öffentlich zur Disposition gestellt zu haben. Die Ermittlung von Lebenseinstellungen, Stimmungs- und Meinungsbildern, die Modell-Bildung in Kunst, Architektur, Natur und Wissenschaft wird mittels Interviews, Befragungen, “Feldstudien³, Internet-Projekten und Aktionen im öffentlichen Raum durchgeführt. Mit der website “How do you feel?³ (www.howdoyoufeel.de) hat der öffentliche Diskurs der Künstler mittlerweile “globale³ Züge angenommen. (...)
Unabhängig von der Analyse der Funktionen und Strategien des “Betriebssystems Kunst³ geht es auch darum, “Kunst als freie Kommunikation im Kunstsystem zu initiieren, im Horizont seiner möglichen Überschreitung³ (3). Vor allem in den neueren Werken seit Ende der 90er Jahre kreist das Interesse der Künstler um die Überwindung des “status quo³ im Sinne von vordergründiger Lebensrealität durch Entwicklung von modellhaftem Denken, Nutzung individueller Phantasiepotentiale, in denen sich soziale und individuelle Utopien wie Lebensentwürfe, Identitätsbildung und das Ideal globaler Kommunikation manifestieren. Künstler wie Dellbrügge & de Moll begreifen sich als exemplarisch Kommunizierende, die den Elfenbeinturm autonomer Kunst längst verlassen haben. Sie fragen: Was ist veränderbar, welches gesellschaftliche Handeln ist möglich aus dem Aktionsfeld der Kunst heraus? Wenn die demokratischen, offenen Gesellschaften durch grenzenlose Wahlfreiheit des Individuums charakterisiert werden, so ist zugleich danach zu fragen, wer die Auswahl definiert und wie die Kunst den Zugriff auf die Öffentlichkeit, den öffentlichen Diskurs gewinnen kann. Kunst braucht seit jeher das feedback der Gesellschaft. Wo Projekte im öffentlichen Raum aufgrund einer komplexen Bedingungsstruktur und in Ermangelung von Handlungsräumen nicht realisiert werden können, bietet sich für Dellbrügge & de Moll das Internet als Alternative an, allerdings mehr als “Ausweichmanöver³ in dem Bewusstsein, dass Virtualität Realität nicht ersetzen kann (4).

Anmerkungen:
(1) Hans Dickel, Form und Strategie oder: Kunst als Kommunikation im Kunstsystem, in: Dellbrügge & de Moll, MODELL, Beiheft zur Postkartenedition des Hauses am Waldsee Berlin, 1998
(2) Dellbrügge & de Moll, zit.n. Hans Dickel, a.a.O.
(3) Hans Dickel, a.a.O.
(4) Aus einem Gespräch d. Verf. mit den Künstlern im Februar 2002.

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updated 2003-05-05
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